• Zeitraum: WS 2024/25
  • Gastland: Spanien
  • Gastuniversität: UNIVERSITAT POMPEU FABRA BARCELONA
  • Fachbereich der ERASMUS-Kooperation: Fachbereich Neuere Philologien
  • Studiengang: MA Linguistics
  • Datum: 21.04.2025

 

Eigentlich wollte ich bereits während meines Bachelors einen Erasmus-Aufenthalt unternehmen, doch machte mir die Corona-Pandemie einen Strich durch die Rechnung. Während meines zweiten Semesters im MA Linguistics an der Goethe Universität verbrachte ich schließlich meinen Auslandsaufenthalt im Rahmen von Erasmus+ im Master of Theoretical and Applied Linguistics (MLTA) an der Universitat Pompeu Fabra (UPF). Ich habe mich für Barcelona entschieden, da mir die Stadt bereits vorher gefiel und mir die Frankfurter Linguistik-Dozierenden die Abteilung für Linguistik der UPF sehr empfohlen haben.

Die Vorbereitung (Planung, Organisation und Bewerbung) nimmt verschiedene Etappen und Formalia in Anspruch, für die auch Geduld erforderlich ist, jedoch waren alle Schritte für mich gut und einfach zu bewältigen. An dieser Stelle möchte ich mich herzlich bei Cécile Meier von der Goethe Universität und Maria Wirf von der UPF bedanken, die mir sehr bei der Gestaltung des Learning Agreements und anderer Aspekte geholfen haben. Einen großen Schrecken jagte es mir ein, einige Wochen nach eigentlich erfolgreicher Anmeldung eine Ablehnungs-E-Mail der UPF zu erhalten. Durch einen Anruf beim International Office der UPF (namens OMA) wurde mir sofort und sehr nett geholfen – es stellte sich als technischer Fehler heraus. Schließe unbedingt die von der UPF obligatorisch verlangte zusätzliche Auslandskrankenversicherung ab: Sie ist nicht nur für den Studienbeginn erforderlich, sondern hat Freund:innen und mir hohe Behandlungskosten in Krankheitsfällen verhindert.

Da das erste Trimester an der UPF bereits Ende September beginnt, zog ich Mitte des Monats nach Barcelona um. Früher war es mir nicht möglich, jedoch lege ich dies auf jeden Fall ans Herz, da das spätsommerliche Wetter hervorragend zur Entdeckung der Stadt dient und da bereits ab Anfang September Events und Exkursionen durch das Erasmus Student Network (ESN) UPF veranstaltet werden. Die UPF selbst bietet Willkommenstage (La Benvinguda) mit Campusführung an, durch die ich noch vor Semesterbeginn den schönen Campus und die Räumlichkeiten der Universität kennenlernen konnte. Offiziell muss man sich für seinen Aufenthalt (wenn länger als drei Monate) in Barcelona registrieren, doch da es sehr mühselig ist, bloß einen Behördentermin zu erhalten, habe ich (so wie andere Erasmus-Studierende) ehrlicherweise schlichtweg darauf verzichtet.

Die Wohnsituation in Barcelona ist fürchterlich und nicht einfach. Von UPF und ESN habe ich trotz Nachfrage in Vorhinein leider keine hilfreichen Tipps erhalten. Ich habe versucht, im August aus der Ferne heraus bereits ein Zimmer zu finden, doch als ich feststellte, dass dies von Betrügern ausgenutzt wird, habe ich es gelassen. Einmal in Barcelona angelegt, finden viele Studierende recht flott ein gutes Zimmer, einige ziehen nochmal um, andere finden wochenlang nichts. Teils werden hohe Summen für kleine dunkle Zimmer verlangt; andere haben Glück und finden in zentraler Lage etwas schönes Günstiges. Die Standard-App zur Zimmersuche ist „idealista“; Spanisch-Kenntnisse helfen definitiv. Ich hatte das große Glück, über eine katalanische Freundin von mir ein Zimmer zu finden. Für das Studierendenwohnheim „Resa“ hatte ich mich auch beworben, doch dort gibt es leider extrem wenige Zimmer für internationale Studierende. Freund:innen, die dort erfolgreich wurden, hatten sich bereits im Januar oder Februar dafür beworben.

Für Erasmus-Studierende sind von der UPF in erster Linie bestimmte Erasmus-Kurse vorgesehen, die die spanische und katalanische Geschichte, Sprache, Kultur, Übersetzung, usw. behandeln. Während auf der UPF-Website steht, dass von uns Erasmus-Studierenden keine anderen Kurse als ebendiese belegt werden dürfen, ist dies in der Praxis (ggf. mit Nachhaken) natürlich möglich. So habe ich verschiedene englischsprachige) Seminare des Master of Theoretical and Applied Linguistics (Màster de Lingüística Teòrica i Aplicada = MLTA) belegt, was ich auch unbedingt ans Herz lege, denn die Linguistik an der UPF hat renommierte Professor:innen und spannende Fächer. Während in den (theoretischen) Kursen wie Phonetics and Phonology, Syntax, usw. für GU-Studierende kaum etwas hinzuzulernen ist, da sie Themen unseres Bachelors abdecken, existieren im MLTA verschiedene andere wertvolle Kurse für uns, die es an der GU nicht in dieser Form gibt: Die computerlinguistischen Seminare (Computational Semantics und Natural Language Processing) sind fantastisch, wobei insbesondere für ersteren eine gewisse Python-Vorerfahrung zwingend erforderlich ist. Ich empfehle, das methodische Seminar Experimental Techniques zu belegen, wenn Interesse an einer Vertiefung von Experimentgestaltung und Statistik besteht; in Corpus and Computational Techniques konnte ich nur wenig Neues erfahren. Mein Lieblingsseminar war Cognition and Language Acqusition, das Multilinguismus aus psycholinguistischer Perspektive behandelt. Durch dieses andere, spannende Kursangebot konnte ich viele wertvolle linguistische Kompetenzen erwerben, die sich hervorragend zu meinem Studium in Frankfurt ergänzen.

De MLTA ist bloß einjährig, wobei in den ersten zwei Trimestern Kurse belegt werden und im letzten Trimester die Master-Abschlussarbeit geschrieben wird. Gerne hätte ich mein Erasmus ein ganzes Jahr lang absolviert, doch hätte ich im dritten Trimester leider keine linguistischen Master-Kurse belegen können. Da man im September gleichzeitig mit den normalen MLTA-Studierenden das Studium an der UPF antritt, kann man sich gut sozial integrieren. Aufgrund der internationalen Zusammensetzung habe ich mich auch als Erasmus-Studierender gleich als Teil der MLTA-Gruppe gefühlt.

Von den Erasmus-spezifischen Kursen habe ich Lengua Española Superior (B2/C1) belegt, war jedoch vom zu niedrigen Niveau enttäuscht (eher B1/B2); im Taller de Escritura (Schreibwerkstatt) standen verschiedene spanische Textformen im Vordergrund. Begeistert war ich vom zwei-trimestrigen Llengua Catalana 1+2 aus dem Grado-Kursangebot: ein Katalanisch-Sprachkurs, der sich an Studierende richtet, die kein Katalanisch, aber bereits Spanisch beherrschen. Auf diese Weise konnte ich innerhalb von nur einem halben Jahr das B1-Niveau offiziell abschließen.

 

Abbildung 1: Sonnige Mittagspause auf dem Campus del Poblenou, wo u. a. die Linguistik sitzt.

Die UPF ist eine sehr gute Universität, aber dafür berüchtigt, viel von ihren Studierenden zu fordern. Der Arbeitsaufwand für UPF-Kurse jeglicher Art (Erasmus-Kurse, MLTA, …) ist unvergleichlich höher ist als für Seminare an der GU. Teils sehr umfangreiche Hausaufgaben, Abgaben, Gruppenarbeiten, Projekte, Präsentationen, usw. werden wöchentlich in jedem Kurs verlangt und bewertet. Aufgrund des Trimester-Prinzips der UPF erhöht sich der Stressfaktor nochmals, da innerhalb weniger Wochen der gleiche Inhalt wie in einem ganzen Semester erlernt werden soll. Daher hatte ich leider an vielen Punkten das Gefühl, leisten und liefern zu müssen, bevor ich überhaupt die Inhalte verstanden hatte. Für die Dozierenden an der UPF sind die Studierenden allererste Priorität, bspw. erhält man auf eine E-Mail oftmals überraschend schnell Antwort. Man duzt sich, die Atmosphäre ist meist locker und sympathisch. Zugleich habe ich festgestellt, dass das spanische System verschulter ist als das deutsche und dass traditionelle soziale Hierarchien eine stärkere Rolle spielen.

Um es kurz zu fassen: das Leben in Barcelona ist wundervoll. Die Stadt ist traumhaft, die Menschen sehr sympathisch und offen, die Kultur(en) spannend, die umliegende Natur erholsam, die beiden Sprachen schön und es gibt eine Unmenge an tollen Freizeitaktivitäten. Da dies aus Reiseführern usw. sicherlich ausreichend hervorgeht, verzichte ich an dieser Stelle auf weitere Ausführungen. Das ESN UPF bietet regelmäßige Veranstaltungen verschiedener Art an, doch die einzigartige, unglaubliche Einrichtung, die meine Erasmus-Erfahrung komplettiert hat, ist das sogenannte Voluntariat Lingüístic (VL). Dieses bietet für die internationalen Studierenden der UPF im Durchschnitt wöchentlich eine Exkursion oder kulturelle Aktivität an. Dank des VL und dessen Leiters Albert Servitje habe ich nicht nur katalanische Städte wie Girona und Tarragona kennengelernt, sondern war auch Wandern in der Collserola, Skifahren in den Pyrenäen, habe katalanische Traditionen kennengelernt (den Tió zu Weihnachten, den Volkstanz Sardana, usw.) und konnte mein Katalanisch verbessern. Ein riesengroßes Dankeschön an das VL und Albert!

 

Abbildung 2: Eine von vielen empfehlenswerten Aktivitäten in Barcelona: Patatas Bravas im olympischen Dorf in Montjuïc mit einer tollen Sicht auf die Stadt (im Hintergrund etwa die Sagrada Família zu sehen).

Das Leben vor Ort ist, abgesehen vom Wohnungsmarkt, etwas günstiger als in Deutschland. Dadurch kann man sich schönerweise gönnen, beispielsweise Tapas und Vermut in einem Lokal zu genießen. Anfangs hat es mich in die Verzweiflung getrieben, günstig gute Kochzutaten und vegane Produkte zu finden. Obst und Gemüse ist in gewissen „Fruites i Verdures“-Läden sehr erschwinglich; in Chinatown bei Arc de Triomf gibt es große asiatische Supermärkte; in Aldi, Lidl und Rossmann finden sich Produkte wie Räuchertofu, veganes Pesto und Hafermilch zu gutem Preis. Studentische Vergünstigungen gibt es in allen Museen; einzelne, wie bspw. das Museu d’Art Contemporani de Barcelona (MACBA) sind sogar kostenfrei. Das Transportmittel der Wahl ist die Targeta jove, mit der man für nur 44€ in der ganzen Provinz von Barcelona 90 Tage lang alle Verkehrsmittel wie Metro, Bus und Regionalzug nutzen kann. Ein erster Termin im TMB-Büro mit Wartezeit ist erforderlich, um die individuelle Karte zu erhalten, doch danach kann die T-Mobilitat einfach am Automaten aufgeladen werden.

Die Stadt Barcelona ist bekannt für ihre vielen Taschendiebe. Verschiedene Geschichten von geklauten Handys oder Portemonnaies habe ich hier gehört, doch mir wurde glücklicherweise nichts gestohlen. Ich habe mich in Barcelona sehr sicher gefühlt. Wie in jeder internationalen Großstadt sollte man mit gesundem Menschenverstand stets gut auf seine Wertsachen achten, besonders in der Metro und an sehr touristischen Ecken wie der Ramba de Catalunya.

Um mein Violoncello mitnehmen zu können, habe ich mir das Erasmus-Interrailticket (plus obligatorische Zugreservierungen) geholt und bin innerhalb eines Tages mit dem Zug nach Barcelona gefahren. Dies klingt vielleicht abenteuerlich, ist jedoch einfach und praktikabel; zwei Jahre zuvor hatte ich es bereits gemacht. Von Frankfurt oder Köln aus kommt man mit dem TGV/ICE bzw. Eurostar in dreieinhalb bzw. drei Stunden nach Paris. Nach einem Umstiegspuffer und Bahnhofswechsel setzt man die Fahrt mit dem TGV für knapp sieben Stunden nach Barcelona fort. Es ist also nur ein Umstieg erforderlich; und im Gegensatz zu Deutschland gibt es keine Zugsverspätungen. Daher habe ich auch Die Erasmus-Green-Travel-Förderung erhalten, jedoch ist diese leider deutlich zu niedrig, um die zusätzlichen Kosten zu decken. Das Reisen im Flugzeug ist trotz der Förderung günstiger und natürlich schneller. Meine Mutter hat mir mit einem Paket weitere Kleidung nachgesendet, so spart man sich einen Zusatzkoffer. Barcelona klingt nach ewigem Sommer, doch im Winter haben viele Wohnungen gar keine oder nur kleine Heizungen; Lokalitäten und Gebäude sind im Allgemeinen oftmals deutlich kühler als im beheizten Deutschland. Vergiss also nicht, neben Strandausstattung
auch warme Kleidung mitzubringen – spätestens fürs Skifahren in den Pyrenäen.

Meinen Bericht möchte ich durch ein persönliches Anliegen ergänzen. Barcelona ist eine äußerst beliebte touristische Stadt, die von vielen Erasmus-Studierenden gewählt wird. Der Tourismus hat sich in Barcelona teils jedoch auch zu einer Plage entwickelt, mit tiefgreifenden sozialen und ökonomischen Problemen für die Menschen vor Ort. Wenn Du einen Aufenthalt dort in Erwägung ziehst, empfehle ich persönlich stark, bereits vorher ein stabiles, fortgeschrittenes Spanisch-Niveau zu erwerben. Auf diese Weise kann man in Kontakt mit den tollen Locals kommen – sont bleibt man „guiri“, d. h. typische:r deutsche:r Tourist:in. Zugleich ist zu beachten, dass Spanisch die Sprache des spanischen Staates und der Zugezogenen aus Restspanien und Lateinamerika ist. Barcelona ist die Hauptstadt Kataloniens, das heißt, die Barcelonís sprechen Katalanisch, nicht Spanisch; so sind etwa Straßenschilder, Ansagen, usw. alle auf Katalanisch. Wer Spanisch bereits beherrscht, kann das eng verwandte, aber unterschiedliche Katalanische einfach verstehen und erlernen. Durch meine Katalanisch-Kenntnisse konnte ich die Katalan:innen viel besser erreichen und habe viele ganz wundervolle menschliche Begegnungen machen dürfen.

Zusammenfassend kann ich jedem bedingungslos empfehlen, einen Erasmus-Aufenthalt in der Linguistik an der UPF in Barcelona zu unternehmen. Es war für mich eine unfassbar wertvolle, einzigartige Erfahrung, die ich nie vergessen werde. Sowohl für meine persönliche Weiterentwicklung als auch für meine akademische Laufbahn habe ich äußerst viel mitgenommen. Es erfordert zunächst vielleicht Mut, diesen Schritt zu gehen, doch wird man dafür doppelt und dreifach belohnt. Barcelona t’espera!